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Die Geschichte der Filmmusik

Um die Geschichte der Filmmusik näher betrachten zu können, müssen die technischen Entwicklungen und gleichwohl die verschiedenen Filmmusikkomponisten ebenso berücksichtigt werden. Es hat sich eben sehr viel seit der Einführung des Films geändert.

Aus diesem Grund möchte ich neben der Geschichte der Filmmusik auch die Entwicklung der Tonsysteme besprechen, da heute THX oder Dolby Surround aus keinem Kino mehr wegzudenken wäre.

a ) Vom Stummfilm zum Tonfilm

(Technische Ausführungen):

Allgemein wird das Jahr 1927 als Beginn der Tonfilmära genannt, doch das ist nicht wirklich richtig. Schon im Jahre 1889 soll Edison mit seinem „Kinetophonographen“ einen Sprechfilm erzeugt haben, indem er eine Tonwalze und einen Filmstreifen gekoppelt ablaufen ließ. Bis zum Jahre 1927 entwickelte sich der Sprechfilm zum Tonfilm weiter. Diese Entwicklung werde ich jetzt noch genauer ausführen.

So war 1900 die Pariser Weltausstellung zeitweise um eine Sensation reicher, denn hier wurde das erste „Phono-Cinema-Téâtre“ öffentlich vorgestellt. Der Andrang war sehr groß, jedoch stellte man ziemlich schnell das Problem dieses Theaters fest: Der Ton aus dem Schalltrichter hatte nur eine kleine Reichweite, das lies eine größere Menschenmenge im Kinosaal nicht zu.

Um 1903 entwickelte Oskar Messter das „Biophon“, das mittels elektrischer Koppelung von Walze und Film eine gute Synchronisation des mechanischen Ablaufs zuließ. Messter hatte mit diesem System großen Erfolg, denn nach seinen eigenen Angaben wurden bis 1913 1500 Tonbildfilme abgedreht.

Erst 1922 wurde das Lichttonverfahren13 von der Gruppe „Triergon“ entwickelt, nun waren Bild und Ton auf demselben Streifen. 1925 unterzeichnete Sam Warner, der Älteste der Warner Brothers, einen Entwicklungs- und Auswertungsvertrag mit Western Electrics, nachdem er in den Bell Laboratorien einen Tonfilm sah. Das Nadeltonverfahren14 wurde von ihnen in „Vitaphone“ umgetauft.

1926 wurde „Don Juan“ mit John Barrymore unter dem Auftrag der Warner Brothers öffentlich in New York präsentiert, neben Filmmusik waren auch 325 gesprochene Worte zu hören. Der Film war ein großartiger Erfolg und füllte die Kinosäle wochenlang. 1927 erwarb William Fox das Triegonverfahren, das sich erfolgreich gegen das Nadeltonverfahren durchsetzte.

Dass sich der Tonfilm nicht schon früher gegen den Stummfilm durchsetzte hatte mehrerlei Gründe:

  • Die Tonwiedergabe war denkbar schlecht, die Schalltrichter konnte nicht mit großen Orchestern und Sängern konkurrieren.
  • Schallplatte und Filmstreifen liefen immer wieder auseinander, erst das Bildttonverfahren setze dem ein Ende.
  • Die Stummfilm- Kamera- Führung ließ viel mehr Bilddynamik zu, bei einem Tonfilm mußten die Schauspieler immer am gleichen Platz stehen bleiben, da Bild und Ton nicht wie heute getrennt aufgenommen werden konnten.
  • Ausgefeilte Schnitt- oder Montagetechniken waren bei einem Sprechfilm nicht möglich
  • Die Synchronisation der Bildfilme war teuer und meist unrentabel
  • Das Filmrepertoire wurde durchgehend eintönig, denn der Tonfilm war auf Gesangsnummern und theatralische Sprechnummern angewiesen und konnte keinen großen Inhalt mehr bearbeiten.

Dennoch schaffte es der Tonfilm, sich nach 27 Jahren gegen den Stummfilm durchzusetzen.

Das hatte mehrere Gründe. Zum Ersten hatte der Stummfilm ausgedient, die Kinos bemerkten einen Rückgang des Interesses am Stummfilm und die Filmindustrie verzeichnete rückläufige Gewinne. Die Warner Brothers hatten das erkannt und ließen sich daher 1926 auf das riskante Geschäft ein, „Don Juan“ zu produzieren.

Sie spekulierten mit der Sensationslust der Zuschauer, setzen auf ihren Star Al Jonson und zuletzt sparten sie sich mit diesem Projekt das Kinoorchester und die Solisten und Künstler des Rahmenprogramms. Die Rechnung ging auf!!

Auch William Fox` Investition in das „Triergon“-Verfahren zahlte sich aus. Seine realistischen Wochenschauen wurden mit Ton noch besser, sie gaben dem Zuschauer das Gefühl, mitten im Geschehen zu stehen. Nach den Erfolgen der Warner Brothers und William Fox war es natürlich nicht weiter verwunderlich, dass die großen Firmen mithalten wollten.

So unterzeichneten 1928 MGM, Paramount und United Artist mit den Western Electric Lizenzverträge und das Lichttonverfahren ging um die Welt, besser gesagt durch Hollywood. Allerdings stellt sich die Frage, ob das dem Film so gut tat. Immerhin verkümmerten die Filme auf Musicals und die Kunst einen anspruchsvollen Film zu machen, schien verloren.

Mit der Einführung des Tons im Atelier verwarf man faktisch die großen Errungenschaften des Stummfilms, um wieder ganz von vorn zu beginnen. Die Uhr des Filmfortschritts wurde um zwanzig Jahre zurückgedreht, zu den Zeiten der ,Film d`Art‘ , zu den sklavisch auf die Leinwand übertragenen Theateraufführungen.“ (Toeplitz)

Der Stummfilm, der niemals stumm war:

Musik war schon in der Ära des Stummfilms wichtig, ohne sie wirkte der Film tot erst 16die Musik gab dem Film Tiefe. Aber der eigentliche Grund für den Gebrauch von Musik während Filmvorführungen war viel banaler. Das Vorführgerät war so laut das sein Brummen die Zuseher störte.

Um dieses Brummen erträglicher zu machen verwendete man Musik die es übertönen sollte. Diese Musik wurde zu Beginn der Stummfilmzeit gerne aus sogenannten Orchestrions bezogen, jedoch wurde das bald uninteressant für die Kinobesitzer.

Das Sammelsurium einzelner unzusammenhängender Musikstücke wurde bald als störend empfunden, „denn der bildmäßig erreichte Eindruck [...] wurde durch die zufälligen Melodien des mechanischen Musikwerks völlig paralysiert. Man versuchte nun den Film stumm ablaufen zu lassen und den Film mit Hilfe eines Filmerklärers vorzuführen, doch auch diese Vorführart war nicht von Erfolg gekrönt.

Je anspruchsvoller die Filme wurden, desto weniger wurde der Filmerklärer vom Publikum angenommen. Man kam dann wieder zurück zur Musik, um den stummen Filmbildern ihrer Bedrohlichkeit zu nehmen.

So ließ man zu den Filmen klassische Musik spielen, meist nach Gutdünken des jeweiligen Pianisten. Dieser spielte nach eigenem Ermessen eine Melodienabfolge bekannter Stücke oder improvisierte eine Melodie, die einigermaßen zu den Filmbildern paßte. So „kam man dem Begriff Filmmusik in seinem eigentlichen Sinne näher, der verlangt, daß jeder Film nur seine ihm angemessene Musik erhalte.

Aber auch der umgekehrte Weg, nämlich zu schon vorhandener Musik Bilder/Filme aufzunehmen, war bald nicht mehr ungewöhnlich. Gedreht wurde mit passender Kostümierung und entsprechendem Hintergrund sowie einer Schallplatte, zu der sich die Schauspieler passend zu bewegen hatten und so taten, als sängen sie. Aufgeführt wurde der Film dann im Kino mit derselben Schallplatte.

Trotz dieser gelegentlichen Schallplattenvorführungen war der Pianist nicht aus dem Kinosaal wegzudenken. Neben ihm wurde nur ein zweiter Musiker so gut wie unentbehrlich: der Schlagzeuger. Während der Pianist die Stimmung des Films dem Zuseher zugänglicher machte, versuchte der Schlagzeuger für die Realität sorgen. Neben dem Idophon19 verwendete er alle möglichen Gerätschaften, um das Bild so real wie möglich erscheinen zu lassen.

Es versteht sich, daß mit solchen Mitteln eine künstlerisch ernst zu nehmende Filmbegleitung nicht zustande kommen konnte.“

Trotz beständiger Versuche, die Musik mit dem Film zu koppeln, erbrachten diese vorerst nicht die nötigen Voraussetzungen für eine groß angelegte Verbreitung und so blieb der Klavierspieler dem Kinopublikum erhalten. Vor allem kleine Betriebe nützten den Pianisten, die, die es sich leisten konnten, griffen auf größere Besetzungen zurück. Eine Sache veränderte sich jedoch jahrelang nicht.

Die Auswahl der Musikstücke war dem Kinobesitzer überlassen. Diese engagierten dann oft Komponisten, die nach einem flüchtigen Blick auf den Film passende Musikstücke aussuchen sollten.

Diese Praktik blieb noch lange erhalten und wurde nur selten durchbrochen. Um die Suche nach passenden Stücken zu vereinfachen, gaben Musikverlage sogenannte SO-Ausgaben(Salon Orchester) heraus, die es jedem Orchester oder Pianisten erlaubten, dieselben Stücke durch gewiefte Arrangements fast gleich zu spielen.

Diese Praktik war anfangs durchaus erfolgreich, jedoch wurden mit der Zeit die Melodien zu bekannt. So konnten bei falschem Einsatz ganze Filmvorführungen ruiniert werden, wenn beispielsweise bei einer Sterbeszene eine heitere Melodie gespielt wurde und somit dieser Szene einen komischen Akzent aufsetzte.

Erst gegen Ende der Stummfilmära wurden endlich sinnvollere Methoden eingesetzt. Einige der Kinokomponisten machten sich daran, selbst Musik zu komponieren, um dadurch die stereotypen und viel zu oft gehörten SO-Ausgaben entbehrlicher zu machen.

So entstand in den einzelnen Ländern eine eigenständige und spezifische Filmmusik, die zu den immer wiederkehrenden Situationen passend schien.

Diese wurden dann oft in eine „Präparatensammlung2119 aufgenommen, die dann den Kinokapellen zur Verfügung gestellt wurde. Die Sammlungen enthielten für jede Situation und Stimmung passende Musikstücke und kamen gebündelt als sogenannte Kinotheken auf den Markt. Die Kinotheken wurden dankbar von Zuschauern wie Musikern aufgenommen, denn die viel gespielten SO-Ausgaben waren vollkommen abgenutzt.

Neben den Komponisten der Kinotheken gab es dann noch solche, die die Musik ernster nahmen und zu den Filmen „wirkliche“ Filmmusik schrieben. Zu diesen gehörten Giuseppe Becce (*1881, +?),der als Hauskomponist bei Meßtner arbeitete, und Gottfried Huppertz (*1887, +1937), auch Edmund Meisel (*1874, +1930) und Marc Roland (*1894, +?). Sie komponierten zu einem bereits fertigen Film die passende Musik.

Ein weiter Schritt in der Entwicklung der Filmmusik war, dass Komponisten beauftragt wurden, in Abstimmung mit den Ideen des Regisseurs passende Musik zu komponieren. Das Notenmaterial wurde immer mit dem Film mitgeliefert. So war es möglich Originalmusik, bei einer Aufführung zu spielen. Damit wurde endlich der Forderung entsprochen, „daß jeder Film nur ihm gemäße, eigene Musik erhalten müsse.“

Wer die erste „wirkliche“ Filmpartitur geschrieben hat, darüber ist man sich nicht im Klaren. „1908 schrieb der französische Komponist Camille Saint- Saens die wahrscheinlich erste Filmmusik, und zwar für Charles le Bargys The Assassination of the Duke of Guise.“

Ich persönlich halte es aber für wahrscheinlicher, dass „1921 Marius-Francois Gaillard für den Stummfilm ‚El Dorado‘ die erste originale Filmmusik geschaffen hat diese Annahme deckt sich eher mit dem, was ich über ‚Kinotheken‘-, freischaffende Künstler und Auftragskomponisten gelesen habe.

Mit der Abkehr vom Melodienmischmasch der früheren Kinomusik stieg das Ansehen der Filmmusik so sehr, daß nun auch namenhaftere Komp.[Komponisten] für den Film gewonnen werden konnten“

Auf jeden Fall gelten Arthur Honegger mit „Pacific 237“, Richard Strauss, der den “Rosenkavalier“ für den Stummfilm bearbeitete, sowie Gottfried Huppertz („Metropolis“, „Nibelungen“) und Giuseppe Becce („Der Katzensteg“) als Pioniere der Auftragsfilmmusik.

Der Stummfilm hatte sich weiterentwickelt, vom Kinotopp zum Filmpalast, vom Orchestrion über den Pianisten zum großen Orchester, von wahllos zusammengesetzten Stücken zu Auftragswerken.

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