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Der Tonfilm und seine Musik

c.1) Der Tonfilm als Musikfilm (1929-1945)

Die Verdrängung des Stummfilms durch den Tonfilm ging recht schnell vonstatten, obwohl es natürlich einige Probleme gab. Vor allem die Musiker hatten unter der neuen Situation zu leiden. Sie wurden gekündigt, allein in Deutschland verloren 12000 Musiker ihre Arbeit.

Nach nur einem Jahr gewöhnten sich auch die Kinobesucher an die Kinosäle ohne Orchester und hatten dabei schon fast den Stummfilm vergessen.

Beim Tonfilm wurde die Filmmusik parallel mit dem Bild aufgezeichnet, unabhängig von der Größe und dem Zustand des Vorführraums konnte überall die gleiche Qualität geboten werden. Zudem ermöglichte der Tonfilm neben der Präsentation von Musik auch noch Dialoge und Geräusche.

Lange Zeit wurden diese neu gewonnenen Möglichkeiten nicht voll ausgenützt, man komponierte immer noch möglichst viel Musik und unterbrach nur bei absolut wichtigen Dialogen oder Geräuschen; bis die Komponisten verstanden, dass auch leise Musik und solche, die man kaum mehr wahrnahm, durchaus vom Zuschauer angenommen wurde, dauerte es noch lange. Bis dahin ging die Musik nur äußerst selten auf die Situation ein.

Seit den dreißiger Jahren besaßen alle wichtigen Studios Musikabteilungen, in denen ein kompletter Mitarbeiterstab an Komponisten, Arrangeuren und Dirigenten beschäftigt war. Man bediente sich aber meist, wie auch in der Stummfilmzeit, passender Versatzstücke aus dem Archiv. Dieses Sammelsurium aneinandergereihter Melodien sowie meist unangebrachter Musikstücke wurde vor allem in Hollywood verwendet.

Man nennt das heute auch den „Hollywood Sound“. Dieser wurde nur langsam abgelöst, nachdem man verstanden hatte, dass dem Publikum auch weniger Lautes und Pompöses gefiel. Allmählich wurde der Hollywood- Sound von Filmmusik ersetzt die nach dem Vorbild der großen Musikdramen geschrieben wurde.

Statt nur den sichtbaren Augenblick zu illustrieren, sollte die Filmmusik nunmehr in ihrem ‚Kommentar‘ über ihn hinausweisen, sollte in nachwagnerischer Art durch Leitmotivverfahren dem Zuschauer verborgene Zusammenhänge der Handlung deutlich machen. Doch bis dieser Wunsch sich wirklich erfüllte, sollte es noch dauern.

So wurden seit 1929 vorwiegend Musikfilme produziert, deren Single-Auskopplungen meist zu wahren Verkaufsschlagern avancierten. Viele Rundfunksender und Filmmagnaten schlossen sich bald zu Syndikaten zusammen. Im Rundfunk wurden dann diese Schlager „rauf und runter“ gespielt.

Dadurch wurden auch die Filme berühmt, in denen aus der heutigen Sicht der Dinge „das Video zum bereits bekannten Lied gespielt wurde“. Natürlich gab es auch das Gegenteil. Sehr viele Musikfilme basierten auf dem Leben von mehr oder weniger berühmten Komponisten oder Musikern.

Dadurch wurden viele bis dahin unbekannte Lieder endlich bekannt und vor allem beliebt! Diese Musikfilme verdrängten durch ihre enorme Popularität die Operette. Um weitere Erfolge mit dem Genre Musikfilm zu erzielen, versuchten die Komponisten, die Lieder immer unauffälliger in den Film einzuflechten, weil er sich so auch meist besser verkaufen ließ.

Nur einigen wenigen Filmen dieser Zeit gelang, es dieses Vorhaben in die Tat umzusetzen, so zum Beispiel im „Sous les toits de Paris“ in dem man ein Leitmotiv verwendete oder im Film „Zwei Herzen im Dreivierteltakt“ in dem ein verlorener und wieder gefundener Walzer um die Handlung kreisen.

„In solchen Sonderfällen, wo ein Schlager als symbolischer Faktor angewandt wird, kann er, vorausgesetzt daß er textlich und kompositorisch Niveau besitzt, zu einem ausgesprochenen dynamischen Funktion gelangen“ 2826

Solche „guten“ Filme wurden großteils von Skeptikern des Hollywood Sounds geschrieben und von solchen Komponisten, die sich dem Kommerz widersetzten. Oft lebten sie in Europa und waren größtenteils französischer oder sowjetischer Abstammung.

In Deutschland schrieb Hanns Eisler, wohl einer der berühmtesten Komponisten jener Zeit, dessen Musik sehr vielfältig ist, eine theoretische Abhandlung „ Komposition für den Film“ die sich auch mit viel Argwohn mit der ‚alten‘ (Hollywood Sound) wie auch in ‚neuen‘ Filmmusik auseinandersetze.

„An dem Versuch, Erfahrungen der autonomen Neuen Musik für die Funktionserfordernisse einer nicht unmittelbar vom Bild abhängigen Filmmusik fruchtbar zu machen, beansprucht besonderes Interesse der Gedanke, aus dem Prosacharakter des Films Konsequenzen für die musikalische Formbildung zu ziehen, also-[...]- Kategorien der funktionellen Form im Sinne Schönbergs [...] gleichsam als absolute, aus dem Formkontext gelöste Musikmodelle zu entwickeln und einer dem Montageprinzip verpflichteten Filmdramturgie verfügbar zu machen.

Anders ausgedrückt heißt das, dass sich die Musik an Form und Bewegung anpaßt.

Doch auch in Hollywood verstand man, dass sich eine präzise Filmmusik, die sich an Gegebenheiten im Film orientiert, als sehr effektsteigernd und damit auch verkaufssteigernd auswirkte. Dies bewies Max Steiner mit der Filmmusik zu „King Kong und die weiße Frau“ schon 1933.

Am Ende des Jahrzehntes kamen immer mehr Komponisten nach Hollywood, so z. B. Broadwaygrößen wie Alfred Newman und Roy Webb oder berühmte Komponisten aus der Musicalhall und Oper wie Erich Wolfgang Korngold, Nino Rota oder Miklos Rozsa. Auch der schon früher erwähnte Bernard Herrmann stieg aus dem Hörfunk in die Reihen der Filmmusikkomponisten auf. Auch Leitfiguren der klassischen Moderne, unter ihnen Aaron Copland, komponierten Film-musik.

Zu Beginn der vierziger Jahre war die Filmmusikvorrangig geprägt von „opulenter Orchestrierung und „emotionalem Überschwang und reproduzierte vorrangig romantische Musik des 19.Jahrhunderts. So wurden neben kleinen Konzertstücken und Opern auch Ballettszenen für bestimmte Filme geschrieben wie z. B. Brian Easdales Ballett für den Märchenfilm „Die roten Schuhe“ (1948) und Nino Rotas Oper „Glass Mountain“ (1949).

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