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Musik, die auf Zusammenhänge hinweist

Eine weitere Spielart der Filmmusik ist es hörbar zumachen wo, wann und vor allem in welcher gesellschaftlichen Schicht der Film spielt. So hat jede Gesellschaftsschicht ein für sie ganz spezifisches Klangidiom, einen eigenen Dialekt. Diese Dialekte gehen allgemein ins Ohr und sagen viel über das Milieu aus und über die Menschen, die dort leben.

In historischen Filmen werden Adel und Bürger nicht nur durch Aussehen und Wohnort charakterisiert, sondern auch durch die Musik, die in jener Schicht vorherrscht. Hierbei arbeitet der Filmmusikkomponist meist mit Musik, die weitgehend authentisch wirkt, im Grund genommen jedoch oft nichts mit einer Originalpartitur dieser Zeit zu tun hat.

Bei „Cyrano de Berèrac“ (Dimitri Tiomkin, 1950) beispielsweise weist die Musik einen recht authentisch wirkenden Kontext auf, bei genauerem Hinhören fällt einem aber schnell auf, dass das große sinfonische Orchester, das die ganze Filmmusik begleitet, wohl nicht so recht in die Musik dieser Zeit hineinpaßt, weil es damals im fünfzehnten Jahrhundert noch keine sinfonischen Orchester in dieser Besetzung gab. Der „normale“ Zuseher stört sich daran wohl kaum, aber den Kritikern fällt ein solcher „Fehler“ immer wieder auf. Aus diesem Beispiel läßt sich eine Problematik herauslesen, die Filmmusikkomponisten beschäftigt, nämlich, wie man es schafft, den Film authentisch wirken zu lassen.

Hierzu gibt es einige Lösungen. Oft bevorzugt und immer wieder gern gehört sind die sogenannten Originalzitate, das heißt, Musik, die zu der Zeit des Filmes wirklich gespielt bzw. gehört wurde. In „Forrest Gump“ (Alan Silvestri,1993) zum Beispiel wurden immer wieder Originalzitate eingestreut, Songs von Elvis Presley und den Beatles, die neben den inzwischen berühmten Szenen, die Gump (Tom Hanks) mit den amerikanischen Präsidenten zeigen, für Authentizität sorgen. Eine andere, vielleicht noch gebräuchlichere Art ist es, berühmte Stücke, die damals allgegenwärtig waren, mehrmals zu variieren, diese Technik wird „Stilzitat“ genannt.

Dieses Zitat wird dann immer wieder im Film vorkommen und je nach Situation angepaßt. Hierbei zu erwähnen ist die Filmmusik von Leonard Rosemann zum Film „Barry London“ (Regisseur: Stanley Kubrick). Händels 11. Cembalo - Suite wurde hier ziemlich finster variiert und läßt schon im Voraus nicht auf schöne Zeiten hoffen. Kubrick war überhaupt bekannt dafür, in seine Filmen Fremdmaterial zu verwenden. Die fulminante Eröffnungsszene aus dem Film „2001- A Space Odessey“ wurde mit dem Werk von Richard Strauß „Also sprach Zarathustra“ unterlegt, „A Clockwork Orange“ bedient sich Beethovens Neunter Sinfonie mit Schillers "Ode an die Freude".

Eine Problematik beim Vertonen von weit zurückliegenden Gegebenheiten ist, dass man oft nichts mehr von den damals gebräuchlichen Instrumenten und der Musik weiß, die üblich war. Nimmt man die berühmten Historienfilme, auch bekannt als „Sandalenschinken“, wie „Quo Vadis“ oder „Ben Hur“, wird man sich der angesprochenen Problematik schnell bewusst. Heute gibt es kaum Aufzeichnungen über die damals gebräuchlichen Instrumente, noch weiß man wie damals Musik klang, ein Problem, das für Miklós Ròzas, den Filmmusikkomponisten jener Filme, schwer mit Authentizität zu lösen war. Hört man sich also jene Filmmusiken an, sprühen sie nur so von „kitschiger Hollywood Sinfonik. Die Arbeit eines Komponisten wird daher sehr erleichtert, wenn er weiß, welche Instrumente zur damaligen Zeit gebräuchlich waren.

In diesem Zusammenhang macht die Filmmusik von „Robin Hood- König der Diebe“ (Michal Kamen,1991) auf ein weiteres Problem „geschichtlicher“ Filmmusiken aufmerksam. Wird hier die Filmmusik zwar mit Originalinstrumenten gespielt, ist das Musikstück, das sich durch den ganzen Film zieht und durchaus wie eine Originalpartitur klingt, jedoch nichts anderes als eine Instrumentalfassung des Bryan Adams Hits „Everything I do , I do it for you“. Also weder ein Stilzitat oder ein Orginalzitat!! Den Zuseher stört das aber nicht wirklich und ich zähle mich da auch ganz bewusst dazu. Denn Authentizität ist wirklich nicht alles, oft viel wichtiger ist, dass man in die Welt hineingerissen wird und sich mit den Figuren verbunden fühlt, und das ist diesem Film wirklich gelungen.

Dennoch gibt es Kritiker, die nicht ohne Recht die Richtigkeit dieser Vorgehensweise in Frage stellen. Schließlich wird ja durch die Musik Authentizität vorgegeben, die nicht wahrhaftig existiert. Ich möchte von meiner Seite entgegensetzen, dass Filme eine Fiktion (das heißt auch eine Lüge) sind, auch Schauspieler stellen sich (wie es das Wort schon sagt) nur zur Schau und spielen dem Zuseher etwas vor. Wenn die Schauspieler lügen dürfen, warum darf es nicht auch die Musik?

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