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Die Vergleichgültigung der Filmindustrie

Damit kommt man wieder sehr deutlich an den Begriff der Filmkunst heran, der – nach ihren Anfägen zu Beginn des Jahrhunderts – erst wieder seit den sechziger Jahren emphatisch verfolgt wird.

Der amerikanische Filmemacher Stan Brakhage beispielsweise propagierte das Streben nach einem Wissen, daß „auf visueller Kommunikation sich gründet, eine Entfaltung des optischen Geistes erfordert und von der Wahrnehmung im ursprünglichen und tiefen Sinn des Wortes abhängt" (zit. nach Jansen, Das Bild von der Rückseite des Mondes, S. 245).

Es scheint so, daß erst die Emanzipation der Filmkunst vom reinen Gewerbe, die Kunstgattung Film in ihren rechten Stand versetzen kann.

An deren Anfang mögen der Russische Formalismus, später die Pop-Art, an deren Ende etwa Werke der Bildenden Kunst von Bill Viola und Gary Hill stehen. Bild, Sprache, Geräusch, Musik werden im Zusammenhang begriffen.

Darum mochte die Banalität des Satzes von der notwendigen Beziehung von Bild und Ton nicht ganz in den Wind geheult sein. In ihren Abschlußstatements heißt es denn: „Aber nur wenn die Musik zu jeder einzelnen Sequenz deren genaue Erkenntnis und die Erwägung der besonderen Funktion im bestimmten Fall einbegreift, ist zu hoffen, daß sich in der Filmmusik etwas besseres regt" (S. 136).

Die Zeichen dafür stünden gar nicht schlecht, denn seit der Entstehung von „Komposition für den Film" ist die Zeit nicht stehengeblieben. Kaum jemand wird heute noch die Bedeutung der Filmindustrie ähnlich hoch veranschlagen.

Mit der massenbedeutsamen Entthronung des Films durch die neuen Medien wie Fernsehen, Internet und „Boulevard-Blatt" verschwindet wesentlich der Charakter des Mediums „Film" als „dem" vorherrschendem Ort gesellschaftlicher Manipulation.

So kann man heute – durchaus im Gegensatz zu der These der Autoren, daß der Film keine eigene Kunstform darstelle – eben auch wegen der partiellen Vergleichgültigung der Bedeutung der Filmindustrie, Nischen einer autonomen Filmkunst finden.

Darin zeigt sich ein Phänomen der gesamten populären Kultur: Durch ihr Wuchern kämpft sie gegen sich selbst an; dies eröffnet Räume für die Besetzung neuer Zwischenbereiche.

© Martin Hufner

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