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Traumindustrie Hollywood

Geprägt und angeregt wurde das Buch selbstverständlich vom Ort seiner Entstehung. In unmittelbarer Nähe zur Traumfabrik Hollywood, dem damals wie heute paradigmatischen Namen und Synonym für den Film als typischem Produkt der Massenkultur. Das Buch beginnt vehement mit der Prämisse:

„Der Film kann nicht isoliert, als eine Kunstform eigener Art, sondern muß als das charakteristischte Medium der gegenwärtigen Massenkultur verstanden werden, die sich der Techniken der mechanischen Reproduktion bedient" (S. 13). Wenngleich man diese Einengung der Filmkunst auf die Produktionsöffentlichkeit „Kino" heute nicht mehr akzeptieren kann, so trifft sie doch – heute wie damals – auf den größten Teil der produzierten Filme zu.

Die Autoren räumen mit vielen Clichés und Vorurteilen einer funktionalen Theorie auf, die nur mit pseudopsychologischen und traditionellen Argumenten arbeitet. Es gelte „keinerlei ,Erfahrungsregeln’ in der Filmmusik ungeprüft anzuerkennen. Wo es keine echte Erfahrung gibt, hat sie auch keine Regeln" (S. 136).

Zu diesen falschen Erfahrungen zählen sie: falsche Übertragung des Leitmotivgedankens in die Sphäre des Films (S. 15 f.), der Ruf nach „Melodie und Wohllaut" (S.16 ff.), die Vorurteile „Filmmusik soll man nicht hören" (S. 19 ff.) und der „Gebrauch von Musik muß optisch gerechtfertigt sein" (S. 21 f.) oder die Zurichtung der Musik auf „Illustration" (S. 23 f.).

Und ihre Abwehr geht vor allem auch gegen eine Stereotypisierung musikalischer Artikulation, nicht zuletzt eine Folge der fortschreitenden Arbeitsteilung – der Komponist tritt in der Regel erst gegen Ende der Produktion in diese ein. Musik ist und bleibt so die Magd des Herrn, namens Regisseur bzw. Produzent.

Nähme man das Ergebnis ihrer schließlich formulierten „Ideen zur Ästhetik" – „Soviel ist wahr: zwischen Bild und Musik muß eine Beziehung bestehen" (S. 70) – als den Ziel- und Endpunkt ihres Vorhabens, so stünde man eigentlich vor gar nichts. Besieht man sich aber zu diesem Zweck die Filme der Gegenwart, so bleibt selbst von diesem Anspruch in der Mainstream-Film-Kultur vieles im Argen.

Da die Filmproduktion ein kostenintensives Unterfangen ist, sucht man jede Chance, finanzielle Lücken zu stopfen. Als beliebt und ertragreich hat sich dabei das Verfahren der Auskoppelung von Soundtracks erwiesen, höflich auch Zweitverwertung genannt.

Solche Musik sollte jedoch auch ohne Film zu goutieren sein, was die Forderung nach einer Beziehung zwischen Bild und Ton auf ein Minimum herabsetzt. Allerdings hat man sich auf diese Weise mit dem Film kombinierte Musik so gewöhnt, daß man tatsächlich eine Beziehung wahrzunehmen scheint.

© Martin Hufner

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